Donnerstag, 19. Juli 2012

Beschneidung

Endlich kommt etwas Bewegung um die Debatte zur Beschneidung von Jungen. Gewundert hat es mich schon, dass sich in all den Jahren kein Kinderschutzbund o.ä. mit diesem Thema befasst hat.
Da hatten die Hunde in Deutschland mehr Aufmerksamkeit erfahren, denn für sie gilt seit 1987 (Ohren) und 1998 (Rute) ein Kupierverbot aufgrund unnötiger Qualen.

In Schweden wurde die rituelle Beschneidung von Jungen bereits vor einem Jahrzehnt gesetzlich geregelt und eingeschränkt. Dort werden jedes Jahr etwa 3000 Jungen beschnitten, wenige Dutzend davon sind Juden, die allermeisten Muslime. Seit 2001 nun dürfen Jungen ohne medizinische Notwendigkeit nur noch beschnitten werden, wenn sie jünger als zwei Monate sind. Neben Ärzten dürfen die Beschneidungen auch weiterhin Laien vornehmen. Diese müssen jedoch ihre Erfahrung nachweisen und eine Genehmigung der Sozialbehörde einholen. Zudem müssen die Jungen ausreichend schmerzstillende Mittel erhalten. Die Debatte ist damit in Schweden noch nicht beendet. Erst vor wenigen Monaten forderte die Vereinigung der Kinderärzte, die Beschneidung aus religiösen Gründen zu verbieten. In San Francisco scheiterte im vergangenen Jahr ein Referendum, das die Beschneidung von Jungen unter Strafe stellen sollte, die jünger als 18 Jahre sind.

Kleine Mädchen mit kleinen Jungen zu vergleichen ist pfui. Es ist doch politisch korrekt, "die" Beschneidung von Mädchen zu verteufeln und nichts gegen derartige Rituale bei Jungen zu unternehmen. Aber mal zur Frage, was eigentlich Frauen- bzw. Mädchenbeschneidung ist. Diese Frage ist nämlich garnicht so leicht zu beantworten. Das reicht von den eher seltenen Extrem wie dem kompletten Zunähen, dem Abschneiden der Schamlippen, dem Heraustrennen der Klitoris bis zu eher harmlosen Spielarten, etwa dem bloßen einritzen der Haut etwa in Indonesien oder gar dem Entfernen der Klitorisvorhaut. Das kommt im Vergleich zu den extremen Varianten deutlich häufiger vor und entspricht in Durchführung und Ergebnis etwa dem, was bei kleinen Jungen in diesen Ländern gemacht wird. Auch kleine Jungen werden in Afrika und Asien mit rostigen Rasierklingen traktiert, geritzt und verstümmelt. Mädchenbeschneidung gibt es im Übrigen auch nur dort, wo auch Jungen beschnitten werden. Es ergibt keinen Sinn, sich nur der Spitze des Eisbergs anzunehmen und die viel häufigere Verstümmelung der Jungen geflissentlich zu ignorieren.

Ronit Tamir glaubt, dass es in Israel schon Zehntausende „Rebellen“ gibt. Sie gehört zu den Gründerinnen von „Kahal“, einer israelischen Gruppe, die Eltern unterstützt, die sich mit dem Gedanken tragen, ihre Söhne nicht beschneiden zu lassen. Kahal wurde im Jahr 2000 gegründet und appelliert auf ihrer Internetseite an die Eltern: „Bildet euch selbst, bevor das Messer an eurem Kleinkind ansetzt!“ Alle zwei Monate treffen sich rund zwanzig Eltern. Wie sehr sie dabei an ein Tabu rühren, ist in der israelischen Presse zu beobachten. In einem ausführlicheren Artikel zu dem Thema wollten vor kurzem in der Zeitung „Haaretz“ die meisten Eltern nur mit ihrem Vornamen zitiert werden, um ihre Familien und ihre Söhne zu schützen. In Israel gibt es keine verlässlichen Zahlen, wie viele Juden sich zu diesem Schritt entschließen. Nach Schätzungen werden zwischen ein und zwei Prozent der Jungen nicht beschnitten. Eine informelle Umfrage des israelischen Elternportals „Mamy“ ergab im Jahr 2006, dass rund ein Drittel der Väter und Mütter am liebsten auf den Eingriff verzichten würden, sich aber – auch wegen des sozialen und familiären Drucks – letztlich dafür entschieden. Die israelische „Organisation gegen Genitalverstümmelung“ ging 1998 noch weiter als „Kahal“. Vergeblich versuchte sie, mit einer Petition vor dem Obersten Gericht, Beschneidungen für illegal erklären zu lassen. Nach Ansicht ihres Initiators handelt es sich dabei um eine Verletzung von Menschen- und Kinderrechten, die nicht weniger schlimm ist als die Genitalverstümmelung afrikanischer Mädchen. In Israel verfolgen nicht nur skeptische Eltern genau, was man im Ausland tut.

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